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Zukunft – Ideen und Möglichkeiten

Ein mögliches Modell für den zukünftigen Musikmarkt könnte die Methode sein, mit der die Softwareindustrie schon seit weit mehr als 20 Jahren erfolgreich funktioniert. Es erscheint sowieso seltsam, dass diesbezüglich sich noch nicht viel getan hat, obwohl die beiden Branchen durchaus Parallelen aufweisen. Auch in der Software-Entwicklung benötigt es viel Kreativität, um Innovationen hervorzubringen, und auch im IT-Bereich wird der Markt von einigen Grossen dominiert, sogar noch eindeutiger als in der Musikindustrie. Natürlich hört man dann und wann von Skandalen und Protesten; trotzdem scheint es insgesamt recht gut zu funktionieren. Wie das?

Man kann Software en gros in vier Kategorien unterteilen:

Kommerzielle Software

Diese Programme werden von grossen Firmen entwickelt und richten sich an den professionellen oder mindestens ambitionierten Anwender. Die Programme sind meist sehr umfangreich in Funktionen und Möglichkeiten. Dahinter steht ein grosses Entwicklerteam mit mehreren Dutzend Personen. Die Software ist nur käuflich erhältlich, meistens für deutlich mehr als hundert bis sogar einige tausend Franken. Oft kann man eine funktionseingeschränkte Demoversion eine Zeit lang gratis austesten, bevor man sich für den Kauf entscheidet.

Shareware

Dies ist eine Mischung zwischen kommerzieller und frei erhältlicher Software. Sie richtet sich vor allem an private User, aber auch Firmen benutzen diese Software. Die Programme sind meist kleiner im Umfang und konzentrieren sich häufig auf eine Hauptfunktion, die sie aber in der Regel exzellent ausführen. Da liegt auch das Potenzial dieser Software: sie kann nicht alles, aber was sie kann, kann sie richtig gut. Entwickelt werden die Programme von eher kleineren Firmen mit kleinen Teams oder auch Einzelpersonen. Man kann häufig demomässig die ganze Software nutzen, allerdings nur beispielsweise für 30 Tage, bevor man aufgefordert wird, die Vollversion zu kaufen. Was auch absolut erschwinglich ist: Shareware kostet in der Regel 20 bis 50 Franken, eher in Ausnahmefällen bis gegen 100 Franken. Es gibt auch Shareware, wo der Beitrag freiwillig ist: nach Ablauf der Frist erscheint zwar immer eine (natürlich möglichst störende) Meldung, die man aber wegklicken und trotzdem die komplette Software nutzen kann. Manchmal ist Shareware auch für den privaten Gebrauch freigegeben; wer sie hingegen kommerziell nutzt, soll bezahlen.

Freeware

Dies sind ebenfalls meistens kleinere Programme, die eine oder wenige Funktionen ausführen können. Sie richten sich vor allem an private Nutzer und werden meistens von Einzelpersonen geschrieben. Zum Beispiel während des Studiums, oder als «Nebenprodukt» einer anderen Software. Oder einfach aus Plausch. Diese Software ist komplett gratis. Oft beinhalten die Programme auch einen Spenderbutton, wo man freiwillig einen Geldbetrag an den Entwickler einzahlen kann, quasi als Motivation oder als Dankeschön. Gewisse Freeware wird von den Programmierern zum Beispiel auch «Beerware» genannt: sie bitten um ein wenig Kleingeld fürs nächste Guiness. Im Unterschied zur Shareware und zur kommerziellen Software wird aber meistens kein Support geboten und auch keine Fehlerfreiheit garantiert. Nutzung quasi auf eigene Gefahr! Ungeachtet dieses Umstands ist aber auch Freeware meistens exzellent programmiert und beinhaltet oft weniger Fehler als manch tausendfränkige Software.

Open-Source-Software

Dies ist quasi eine Jekami-Software: Der Quellcode liegt offen, und Entwickler aus der ganzen Welt können mitprogrammieren, ihren Senf dazugeben, austesten, Inputs und Feedback liefern, korrigieren etc. Das können dann auch gern mal einige hundert Personen sein, die sich an dem Projekt beteiligen: das ist dann die «Community». Die Mitarbeit ist grundsätzlich immer ehrenamtlich, und Open-Source-Software ist auch grundsätzlich immer und ohne Einschränkungen gratis für jedermann verfügbar und nutzbar. Allerdings gibt es auch grosse Softwarefirmen, die Open-Source-Entwicklung unterstützen und ihre Programmierer dafür bezahlen. Weshalb? Die grossen Firmen können dann beispielsweise einen so entwickelten Software-Baustein für ihre eigenen Projekte verwenden. Denn: Open-Source-Software ist in der Regel überdurchschnittlich stabil, innovativ, leistungsfähig und wird meistens ständig weiterentwickelt! Die Beta­phasen, also die Ausprobier- und Verbesserungsphasen gehen zwar jeweils relativ lange, schlussendlich ist die Software aber dann tausendfach ausgetestet und optimiert worden, und das mit einer Komplexität, die von einer Einzelperson oder einer kleinen Firma niemals bewältigt werden könnte.

Ein Beispiel für eine solche Software ist der Firefox-Browser oder der kostenlose Microsoft-Office-Ersatz «Apache Open Office». Auch sämtliche Linux- und Android-Betriebssysteme bauen auf diesem Prinzip auf.

Der Open-Source-Gedanke ist derweil nicht mehr nur auf Software-Entwicklung beschränkt: auch das nicht mehr wegzudenkende Wikipedia und viele weitere Projekte, Datenbanken und Websites funktionieren genau nach diesem Prinzip. Gewisse Lizenzvarianten davon, darunter die «GNU General Public License», werden auch «freie Software» genannt, was aber nicht zu verwechseln ist mit «Freeware».

Vorteile der Lizenzentrennung

Diese «Gewaltentrennung» in diese verschiedenen Kategorien hat sich bis heute bewährt, und alle haben ihren Nutzen davon:

• Kommerzielle Softwareanbieter haben klar definierte Nutzungsbestimmungen, und der Erwerb und die Lizenzierung eines solchen Programms funktionieren in der Regel gut. Firmen sind gerne bereit, die Beträge zu bezahlen, da sie so auch den Support, also quasi die Laufgarantie beanspruchen können. Natürlich wird solche Software auch gehackt und vor allem von Privaten illegal verwendet. Die Hersteller finden das zwar nicht cool und versuchen immer wieder neue Kopierschutz-Tricks, haben diese Verluste jedoch offenbar einkalkuliert respektive sind sich bewusst, dass ein nicht-lizenzierter User nicht auch immer einen entgangenen Gewinn darstellt. Im Gegenzug entsteht sogar ein gewünschter Effekt: Gehackte Software verbreitet sich rasend schnell, und wird, wenn das Programm gut ist, auch sehr schnell beliebt. Also auch ideal zum Kennenlernen. Sobald die User dann in einem professionellen Umfeld arbeiten, wollen sie dann auch unbedingt mit dieser Software arbeiten und kaufen sie.

• Shareware-Entwickler können, wenn die Software gut ist, von den kleinen Beträgen leben. Denn in der Regel haben sie mehrere solcher Programme im Angebot, und schliesslich auch immer eine globale Kundschaft, da läppert sich schon etwas zusammen. Aufgrund des niedrigen Kaufpreises ist auch die Kaufhemmschwelle und die Hackermotivation ziemlich gering. Aber natürlich gilt hier auch wie überall: immer dranbleiben, Promotion machen, Verbesserungen bieten, Innovationen umsetzen.

• Freeware-Entwickler freuen sich sowieso, denn davon leben müssen sie nicht, und trotzdem gibts ab und zu ein Kompliment und ein Bier...

• Die Open-Source-Community ist auch zufrieden, denn sie geniesst grösstmögliche demokratische Freiheit und Unabhängigkeit, ausserdem ist die Nutzung der Programme vollumfänglich und für immer kostenlos verfügbar für alle. Open-Source-Software ist in der Regel auch sehr sicher und sauber – in der Community werden ein ausgeprägter Ehrenkodex und international ausgeglichene Ethik- und Moralvorstellungen gelebt. Daher, und da ja sowieso gratis, ist freie Software auch nur selten Ziel von Hackerangriffen.

Diese Aufteilung der unterschiedlichen Software-Lizenzarten wird in der Regel von allen Beteiligten gegenseitig akzeptiert und respektiert. Ausserdem haben die Anbieter eine breit abgestützte, einfache und ständig weiterentwickelte Infrastruktur zur Verfügung, um ihre Produkte auf Server zu stellen, zu promoten und zu verkaufen. Die Frage, wie sehr und wie lange das Programm beliebt sein wird, wird meistens von der Nachfrage beantwortet; es spielt hier also ein echter Markt. Ausnahmen bilden einige Firmen, die im System- oder Softwarebereich Fast-Monopole innehaben. Hierzu wurden und werden auch immer wieder heftige Kontroversen geführt. Insgesamt herrscht aber im Vergleich zu anderen Branchen eine grosse Wettbewerbsdynamik und damit auch grosse und langfristige wirtschaftliche Stabilität.

Was hat das mit dem Vertrieb von Musik zu tun?

Leider noch zu wenig. Die Musikindustrie spielt nahezu vollständig im kommerziellen Bereich auf, andere Formen sind nahezu unbekannt und stecken im Vergleich zur Softwareindustrie auch noch in den Kinderschuhen. Selbst die grossen Online-Shops, welche ja quasi die neuen Medien repräsentieren, beschränken sich ausschliesslich auf kommerzielle Musik. Dazu kommt, dass neue Herstellungs-, Vetriebs- und Lizenzformen von Musik von der klassischen Industrie natürlich unerwünscht sind und entsprechend nach Möglichkeit unterbunden oder mit Gegenmassnahmen übertrumpft werden.

Es gibt zwar inzwischen die «Netlabels». Eigentlich nichts anderes als klassische Labels, die aber ihre Musik ausschliesslich per Internet vertreiben. Darunter gibt es auch einige, die sich ausschliesslich um nicht-kommerzielle oder CC-lizenzierte Musik kümmern. Diese Labels werden zwar immer bekannter und beliebter, allerdings bis heute eher in vereinzelten Szenen und Musikstilen; sie gelten quasi als «Underground» oder «Insider» und sind noch weit entfernt von einer breiten Akzeptanz.

Dabei könnte eine Aufteilung wie bei Softwarelizenzen durchaus Anreize geben für künftige Musikveröffentlichungsmodelle:

Die Aufteilung der Musiklizenzen, nur sonen Gedanke

Commercial music

Sie wird professionell produziert, promotet und verkauft. Als CD oder als MP3 in den Läden erhältlich gegen Bezahlung. Und wird verwendet in Filmen, Medien, Werbung etc. oder als privater Hörgenuss. Also alles wie bisher.

Share music

Sie wird professionell bis semiprofessionell produziert; um die Promotion kümmern sich kleinere Labels oder die Künstler selbst. Als CD oder als MP3 in den Läden erhältlich gegen Bezahlung, allerdings deutlich günstiger als kommerzielle Musik, dafür fliesst der grösste Teil des Gewinns den Künstlern zu. Oder gegen freiwillige Bezahlung, dafür mit zum Beispiel eingeschränkter Wiedergabezahl oder eingefügten «Demo»-Samples. Oder komplett freiwillig und kopierbar, dafür mit Spenderbutton oder der Einschränkung, dass die Musik nicht für kommerzielle Zwecke eingesetzt werden darf. Je nach Gusto halt.

Free music

Sie wird privat bis semiprofessionell produziert, und nicht oder nur schwach promotet. Die Verbreitung wird dem Gefallen des Publikums überlassen, die Musik ist aber auch komplett gratis erhältlich und uneingeschränkt nutzbar. Ein Spenderbutton ist gleich neben dem Download- oder besser Play-Button, so erhält die Band je nach Beliebtheit nicht nur eine ideelle, sondern auch eine finanzielle Unterstützung.

Open music

Die Bands und Künstler werden bei der Produktion, Promotion und Vertrieb von einer Community unterstützt: mit fachlichem Know-How, Beziehungen, Plattformen, Selektionierung, Spenden etc. Ausserdem kann die Community auch bei der Kreation mitwirken, mögliche Bereiche wären: Text- und Songideen, Gastmusiker, Abmischen, Remixes, Bildmaterial, Videoclip, Homepageprogrammierung, Songtextübersetzungen etc. Als Gegenzug ist diese Musik dann kostenlos verfügbar für jedermann, und kann auch beliebig verwendet und verändert werden. Zentraler Punkt ist und bleibt dabei die Band oder der Künstler, oder auch nicht, je nachdem, wie man das haben möchte.

Leider ist das alles noch Zukunftsmusik.

Was es heute bereits gibt

• Kommerzielle Musik. Das kennen wir ja alle.
Alternativ zu bestehenden Musikmarktmechanismen gibt es zwar inzwischen auch Künstler, die sich oder ihren Tonträger über Crowdfunding, also Internetgönner, zu finanzieren versuchen. Dennoch ersetzt das noch lange nicht das Promotions-Know-How eines Labels, und ist ausserdem nach wie vor kommerzielle Musik.

• «Share-music», also eine Mischlizenz aus freier und kommerzieller Musik und die entsprechenden Vertriebskanäle, gibt es erst in vagem Ansatz.

Das einzige, was ich nach langer Suche finden konnte, war die relativ junge Plattform «Audiomagnet»: sie boten an, auch nicht-gelabelte Musik auf die kommerziellen Online-Shops zustellen und den Gewinn voll an die Künstler auszuzahlen. Bis jetzt anscheinend der einzige, wo keine Abzockerei und auch keine versteckte automatische «Labelisierung» stattfindet, was nämlich bei den anderen unzähligen dieser Anbieter der Fall ist und häufig erst in den AGBs erkannt werden kann. Allerdings soll man sich keine zu grossen Illusionen machen: auch hier betrug der maximale Verdienst für den Künstler 50 % des Kaufpreises eines Songs. Warum? Die Online-Shops ihrerseits zwacken schon einen Grossteil des Kuchens ab (zum Beispiel Apples iTunes-Store: 25 %), der Rest geht drauf für Einstellgebühren und Mehrwersteuer. Aber wenigstens konnte man hier seine Songs kommerziell platzieren und dennoch unabhängig bleiben. Weshalb die Vergangeheitsform? Audiomagnet gibt es seit einem Jahr bereits nicht mehr; das Angebot hatte leider nicht die gewünschte Nachfrage erreicht.

Zu erwähnen ist auch restorm.com: eine Schweizer Plattform, bei der man nicht nur CC-lizenzierte Songs gratis oder mit Spende online-shoppen kann, sondern auch gelabelte Musik. Das Kaufprozedere wirkt sehr einfach und intuitiv und lässt sich auch in die eigene Homepage einbauen. Ausserdem hat restorm eine neue Lizenzform «erfunden», das sogenannte «right-clearing», womit man auch CC-lizenzierte Musik dem Profibereich zugänglich machen kann. Klingt alles sehr vielversprechend.

In den USA ist cdbaby.com bereits relativ bekannt und auch erfolgreich; Bands können hier ihre CD zum Online-Verkauf anbieten, auch wenn sie nirgends unter Vetrag sind. Geht auch für nicht-amerikanische Künstler – könnte man also mal genauer anschauen.

So oder so empfiehlt es sich unbedingt, vor der Wahl eines Anbieters dessen Angebot genau zu beurteilen. Damit man nicht plötzlich «aus Versehen» doch bei einem Label oder Shop fix gebunden ist.

• «Free-music» gibt es. Allerdings definiert sich der Begriff heute meistens durch «Sind nicht oder noch nicht bei einem Label unter Vertrag». Also ist es im Moment einfach sämtliche nicht-kommerzielle Musik. Was aber nicht bedeutet, dass sie auch immer frei verfügbar oder kostenlos ist. Hier müsste betreffend Begriffen, Verwendung und Lizenzen noch einiges getan und bekannter werden. Vor allem im Englischen ist Aufklärungsarbeit erforderlich, denn «free» bedeutet gleichzeitig «frei» und «gratis». Was aber nicht dasselbe ist. Ein sehr guter Ansatz diesbezüglich sind die «Creative Commons», die sogenannten CC-Lizenzen. Dazu mehr im separaten Kapitel.

Plattformen für freie Musik gibt es auch, das Internet bietet sich für diese Musikform ja geradezu an. Allerdings sind diese Anbieter beim Publikum noch ziemlich unbekannt und auch noch nicht aus allen Kinderkrankheiten erwachsen. Die zur Zeit angesagteste Plattform für upzuloadende eigene Musik ist soundcloud.com, da man den Player gleich in sämtliche soziale Netzwerke einbetten kann. Eine an sich gute Seite wäre auch «Jamendo», die es schon länger gibt und sich zum Ziel gemacht hat, genau für diese Art von Musik unter CC-Lizenzen eine Plattform zu bieten: nebst dem Anhören der Songs und Hitparaden gibt es auch Möglichkeiten, Kritiken zu schreiben oder die Band per Spende zu unterstützen. Jamendo wirkte aber sehr lange sehr eingefroren und ist auch 2010 schier Konkurs gegangen, ausserdem hat auch hier das Auszahlungsmodell gewisse Haken.

Natürlich gibt es auch unzählige andere Möglichkeiten für das Bereitstellen von freier Musik, die eigene Homepage zum Beispiel, oder soziale Plattformen wie ­MySpace und Facebook. Man muss trotz der allgemeinen Verbreitung und Beliebtheit des Internets aber leider festhalten, dass auch im Jahr 2013 die Infrastruktur fürs Bereitstellen, Promoten, Verbreiten und für Spendenbeiträge von freier Musik insgesamt noch ziemliches Brachland ist. Auch was die gegenseitige Vernetzung und Unterstützung der Plattformen untereinander, die Integrierung in Playern und Smartphones, und erst recht die Bekanntheit, Bedienerfreundlichkeit und Akzeptanz beim Publikum betrifft. Diesbezüglich fehlt dieser Entwicklung eben ganz einfach die Lobby.

Das zur Zeit beste Angebot in dieser Hinsicht sind die Tausende von Internetradios, wovon viele auch ausschliesslich nicht-kommerzielle Musik spielen.

• «Open-music», die im eigentlichen Sinne von einer Open-Source-Community bei der Kreation, Produktion und Verbreitung unterstützt wird, gibt es erst im Ansatz und ist im Moment auch noch nichts weiter als «Kollegen, die Kollegen helfen». Eine Plattform dazu oder eine eigentliche Institution, die so etwas vorantreibt, habe ich nicht ausfindig machen können, geschweige denn eine globale Bewegung. Die Lizenzen dazu stünden in den CC-Lizenzen jedenfalls bereit, und wenigstens sind die Leute durch die Bekanntheit von Wikipedia und ähnlichen Seiten inzwischen mit Open-Source-Medien und deren Lizenzen vertrauter als auch schon. Hier ist also noch einiges zu erwarten.

• «Kommerzielle Communities»: in der DJ-Szene ist es seit jeher gang und gäbe, bestehende Tracks zu remixen; die so neu entstandenen Stücke finden sich dann meistens auf Samplern und Compilations. Die Idee ist gut, und die Remixes bei den Kreativen und beim Publikum gleichermassen beliebt. Allerdings spielt sich das nahezu komplett im kommerziellen Bereich ab, und die Urheberrechte und deren Aufteilung sind offenbar nicht immer ausreichend abgeklärt, weswegen es auch häufig zu Entschädigungsforderungen kommt. Zum Beispiel, wenn ein Remix erfolgreicher ist als der originale Song, im Remix aber nur einzelne Elemente des Originals enthalten sind. Wer soll nun wieviel Geld erhalten?

• In der Rap-Szene ist es zwar auch die Regel, neue Songs aus bestehenden Elementen oder Songs aufzubauen. Allerdings kann man hier fast nie von einer echten Community sprechen, da oft auch einfach geklaut und mit fremden Federn geschmückt wird: die neuen Tracks werden nur selten als «Remix» oder «Cover» bezeichnet und meistens unter dem eigenen Namen herausgegeben. Die Schadenersatzklagen sind häufig und entsprechend horrend. Um einiges klarer ist hingegen das «Featuring», also das Mitwirken des Urhebers beim neuen Song. Allerdings wird auch dieser Bogen massiv überspannt: bei gewissen Rap-Alben ist vor lauter «feat.» gar nicht mehr zu erkennen, wessen Album das denn nun eigentlich ist.

• Das «Covern», also das Nachspielen von Songs, wie es in der Rock- und Popszene sehr verbreitet ist, kann man nicht als Community bezeichnen: es geht um ausschliesslich kommerzielle Musik, und die Urheber erhalten ausser der entrichteten Tantiemen kein Feedback und wirken bei den Coverversionen nur selten mit. Ausserdem werden die Songs meistens möglichst originalgetreu wiedergegeben, und nur in Ausnahmefällen etwas Neues daraus kreiert.

Es lässt sich also zusammenfassen:

• Ob und wie sehr die Software-Modelle im Bereich Musik Schule machen werden, bleibt abzuwarten. Im Moment ist da noch sehr vieles offen.

• Solange es geht, wird die Musikindustrie am bestehenden kommerziellen Modell festhalten und es aufrechtzuhalten versuchen. Entsprechend werden auch Player und Online-Shops allfällige neue Modelle wohl nur zögerlich unterstützen.

• Eine entscheidende Bedingung für die Entwicklung neuer Musikmärkte sind die entsprechenden neuen Lizenzen, also die «Erlaubnis», über welche Wege sich ein Stück verbreiten oder verändern kann. Erste Varianten zum bestehenden Copyright sind aber erst jetzt am aufkommen und müssen sich erst noch etablieren.

• Auch wenn freie Musik im Prinzip heute schon verfügbar ist: die Leute möchten mit den guten Stücken beliefert werden und sind sogar gerne bereit, dafür zu bezahlen. Das Gros des Publikums will sich nicht erst durch 100 kostenlose Alben hören, bis einem dann mal eines gefällt. Diese Selektion war bis heute die Aufgabe der Majors und Radios, welche sie auch weiterhin sehr gerne wahrnehmen. Dieses grundsätzliche Konsumverhalten der Hörer wird sich nicht ändern, auch wenn die Musik gratis ist.

• Eine automatische Dynamik der freien Community, wie es beispielsweise bei Open-Source-Software der Fall war, hat sich bis jetzt nicht ergeben und ist auch nicht so schnell zu erwarten. Dies wird sich erst ändern, wenn mehr und mehr Künstler und Produzenten sich von der rein kommerziellen Musik abwenden, ein breit akzeptiertes Plattform-Netzwerk entsteht und für den Endkonsumenten sich quasi nichts ändert oder sogar noch vereinfacht im Vergleich zu heute.

Dennoch beinhaltet dieser Abschnitt vielleicht doch einige Ideen oder Denkansätze, die allenfalls in der nahen Zukunft aktuell werden. Man wird sehen, äh hören.

Vergleich Bildindustrie – es geht ja doch!

Die Industrie um die digitale Fotografie und digitale Bildwelten lässt sich in dieser Hinsicht direkt mit der Musikindustrie vergleichen: auch hier geht es um kreative, geschützte Werke, die Abnehmer finden, aber gleichzeitig die Schöpfer angemessen entschädigen sollen. Auch hier wird der Markt dominiert von ganz wenigen grossen Firmen. Auch hier fand der Umstieg von analog auf digital statt, was das verlustfreie Kopieren ermöglichte und somit das Risiko erhöhte, dass urheberrechtlich geschützte Bilder frei weiterkopiert würden.

Doch diesbezüglich haben die Bildagenturen schlauer reagiert als die Musikindustrie und tatsächlich schon relativ bald nach dem digitalen Durchbruch das Lizenzprinzip der Softwareindustrie übernommen. Heute kann man auf Stockbildseiten wählen zwischen hochwertigen Fotos und Illustrationen mit speziellen oder exklusiven Lizenzen, die in der Regel über hundert bis einige hundert Franken kosten, und lizenzfreien oder lizenzreduzierten Bildern, die schon ab wenigen Franken zu haben sind. In beiden Bereichen finden sich aber durchwegs qualitativ hochwertige Bilder. Und diese «Mikrolizenzen» erfreuen sich grosser Beliebtheit, da nun auch semiprofessionelle oder sogar private Anwender mit einem kleineren Budget Zugang zu gutem Bildmaterial haben.

Es gibt sogar das Pendant zur Freeware: auf pixelio.de laden Hobby- und Profifotografen ihre Bilder hoch und stellen sie zur freien Verfügung ins Netz. Auch da findet man durchaus qualitativ hochwertige Bilder. Etwas ähnliches bei der riesigen Foto-Community flickr.com: diese haben schon längst auch CC-lizenzierte Fotos mit eingebunden, was sich immer stärkerer Beliebtheit erfreut. Natürlich hat sich der Markt dadurch in den letzten Jahren verändert, soviel ist klar. Aber es funktioniert! Und es sind deswegen weder die Bildagenturen noch die Fotografen ausgestorben, im Gegenteil.

Es geht also doch. Und ist offenbar auch gar nicht so eine dumme Idee.

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veröffentlicht am 26. Juli 2013

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