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Wie man mit Musik etwas verdient

Wahre Kunst ist ja bekanntlich brotlos. Dies ist natürlich auch mit Musik nicht anders. Dennoch gibt es die eine oder andere Möglichkeit, damit ein Sackgeld oder sogar seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

• Gelernte Musiker (Jazzschule/Konservatorium), die von ihrem Beruf leben, sind in den allermeisten Fällen als Musiklehrer tätig und haben zusätzliche Teilzeitengagements als Studio- und Live-Instrumentalisten. Des weiteren als Komponisten, Arrangeure, Musik­redaktoren, Musikjournalisten, Instrumentenbauer, Veranstalter, Sounddesigner etc.

• Fixe Engagements gibts in der Regel nur als Organist und im Berufsorchester, wovon es von letzteren allerdings nicht viele gibt hierzulande, da das Niveau dafür sehr hoch sein muss.

• Live-Musiker und -Bands, die von ihren Konzerten leben können, sind vorwiegend im Bereich Unterhaltungsmusik tätig (Schlagercombos, Coverbands).

• Oder man macht sich einen Namen und wird bekannt und erfolgreich. Sicher der mühsamste, unsicherste und unbeständigste Weg, aber dafür mit einer persönlichen Note. Nicht selten begradigt sich dieser Weg für diejenigen, die eine der oben erwähnten professionellen Erfahrungen bereits gemacht haben.

Als Band mit eigenen Songs gibts grob gesagt fünf mögliche Einnahmequellen: Konzertgagen, Tonträgerverkauf, Tantiemen / Lizenzverkäufe, Merchandising und Werbeverträge.

Dem Musiker bleibt: ein Fünftel

Möchte man seine Musik auf den Markt bringen, und erhofft man sich davon einen grossen Verdienst, sollte man sich des Verteilverhältnisses bewusst sein: bei einer klassischen CD-Produktion beträgt die Gewinnausschüttung für die Band nur 10 bis maximal 20 Prozent. Bei Online-Verkäufen können, da ja die CD-Produktion wegfällt, 20 bis 30 Prozent erreicht werden. Bei Labels, die nur die Songs online stellen, aber keinerlei Promotionsservice betreiben, liegt die maximal mögliche Ausbeute bei 40 Prozent des Verkaufspreises; tatsächlich ist es in den meisten Fällen eher ein Drittel. Den Löwenanteil des Kuchens haben in jedem Fall der Handel und die Labels.

Durchschnittliche Verteilung des CD-Verkaufspreises in Deutschland:

CD-Verkaufspreis

In der Schweiz sieht das nicht anders aus, jedoch ist hier die Mehrwertsteuer nicht so hoch, daher gibts noch ein zwei Prozentpunkte mehr für die Kreativen.

Diese Grafik wird gerne gezeigt – auch als Kritikargument gegen die Musikindustrie. Tatsächlich ist diese Tatsache für einen Musiker, der sich mit dem Verkauf seiner CDs das grosse Geld erhofft, ernüchternd. Aber: es darf nicht vergessen werden, dass ja eben genau die Labels, Vertrieb und Handel dafür verantwortlich sind, dass die Leute die CD auch kaufen können. Sprich: ohne diese gäbe es auch keinen Erfolg. Denn die Labels finanzieren die Produktion, machen für das Album Promotion und organisieren den Vertrieb, und die Läden müssen die Verkaufsinfrastruktur bieten können. Das kostet viel Geld, und da sind eine Menge Leute daran beteiligt! Und natürlich muss sich ein CD-Kauf für diese Einrichtungen lohnen – weshalb sollten sie sonst mitmachen? Ein Künstler hingegen hat im direkten Vergleich viel weniger finanzielle Aufwändungen für die Produktion eines Albums; sie sind eher zeitlicher oder persönlicher Natur. Sich darüber aufzuregen, bringt rein gar nichts. Denn diese Umsatzaufteilung ist auch nichts Neues, sondern schon seit vielen Jahren in etwa konstant, und ganz einfach Teil des Geschäfts. Sich dieser Tatsache bewusst zu sein, ist jedoch sicher auch nicht verkehrt.

Es ist auf jeden Fall sehr löblich, wenn Musikkonsumenten sagen: Ja, ich will diese Musiker unterstützen und kaufe deshalb die CD! Ein (erfreulicherweise) oft gehörter Satz in den aktuellen Diskussionen um Musikdownloads. Tatsächlich ist dies eine Unterstützung der Musiker – nicht nur finanziell, sondern natürlich auch erfolgsranglistenmässig. Man wisse einfach, dass von jedem Franken die Musiker nur maximal 20 Rappen erhalten. Wer die Bands wirklich direkt unterstützen möchte, soll doch besser nach Möglichkeit die CD gleich am Konzert kaufen. Ist oft günstiger, die Band hat mehr davon (da der Handel/Vertrieb wegfällt und ausserdem das Konzert so gut besucht ist), und manchmal kriegt man grade auch noch ein Autogramm dazu und hat somit ein unbezahlbares Unikat in der Hand.

Wieviel der Künstler am Schluss von seinem Anteil sieht, hängt stark von der Anzahl Personen ab, die in der Produktion involviert sind. Eine Sängerin beispielsweise, bei deren Aufnahme zusätzlich Studioinstrumentalisten benötigt werden, und die zudem für die Songs Urheberrechte bezahlen muss, verdient logischerweise weniger als eine ganze Band, die gleich alles selber macht. Allerdings müssen sich diese den Gewinn ja auch wieder untereinander aufteilen. Man kann es drehen und wenden, wie man möchte: an einer im Handel verkauften CD verdient der Musiker so etwa zwischen einem und fünf Franken.

Live-Auftritte und ihre Verknüpfungen

Eines der nicht nur aus finanzieller Sicht grössten Ziele mancher Band sind sicher die Livekonzerte mit möglichst viel Publikum. Tatsächlich ist dies ein Bereich, der theoretisch losgelöst von der Tonträgerindustrie funktioniert. Praktisch natürlich nicht: je bekannter die Band dank verkaufter Tonträger und Radio-Airplay, umso mehr Leute möchten die Band auch gerne live sehen. Doch lange Zeit waren es dann tatsächlich die Konzertgagen, von denen die Band abgesehen vom Publikumsapplaus direkt profitierte, da nebst der Provision und der Kosten für die Crew noch ein anständiger Batzen in die Bandkasse wanderte. Diese Situation hat sich jedoch vor allem im Mainstream deutlich verändert in den letzten Jahren: immer mehr übernehmen die Major-Labels auch Aufgaben im Konzertbereich und ziehen aus den Einnahmen ihren Anteil. Sony zum Beispiel schliesst inzwischen nur noch sogenannte Rundumverträge ab, wo also auch bei Live-Auftritten der Kuchenanteil des Labels fix festgelegt ist.

Ja, aber dann gehen wir doch einfach online!

Online ist angenehm: Man muss sich nicht mehr mit dem Kopieren von Demotapes und -CDs herumschlagen, kann seine Songs auf einen Schlag weltweit anbieten, und kann diese auch jederzeit aktualisieren oder zusätzliche Informationen schalten. Ausserdem gibts die Möglichkeit des direkten Feedbacks und der Download-Statistik. Man sollte damit also ganz leicht und praktisch ohne Initialkosten viel Geld verdienen können.

Moment mal, stimmt das denn? Leider nein. So verlockend es klingt, aber man darf nicht vergessen, dass eben alle anderen ebenfalls Zugang zum Internet und damit zu diesen Möglichkeiten haben. Entsprechend ist die Menge an Angeboten, und entsprechend umgekehrt proportional ist die Grösse des Verdienstes, den ein Klick auf den Play- oder Downloadbutton bringt. Zwar gibt es immer wieder neue Modelle und Plattformen, wo man seine Musik anbieten kann. Unter dem Strich gilt aber auch hier dasselbe wie bei den alten Demotapes: möchte man etwas erreichen, zum Beispiel Geld oder Ruhm oder sogar beides, muss nebst eines guten Songs auch ein nicht unwesentlicher Aufwand in die Promotion und konstante Präsenz gesteckt werden.

Die folgende Grafik zeigt als Beispiel den ungefähren Vergleich der verschiedenen Einnahmemöglichkeiten, Stand 2010. Die Frage dabei lautet:

Wieviele Einheiten müssen verkauft werden, damit die Band Fr. 100.– Gewinn einnimt?

Musik-Onlineverdienst

Der Wert von Musik

Ausserdem hat sich durch den allgegenwärtigen Onlinezugang zu praktisch sämtlichen existierenden Tonträgern und den Gigabytes von Musikdaten deren Wertschätzung und das Musikhören an sich grundlegend verändert. Wo sich früher noch die Familie vor dem Radio versammelt hatte, und später der Musikfreund daheim in Ruhe die Platten und CDs mit seiner Stereoanlage genoss, wird heute Musik eher nebenbei gehört, oft als Pendel- oder Shoppingbegleiterscheinung. Dieser Faktor sollte eigentlich (wird aber nicht) auch von der klassischen Musikindustrie berücksichtigt werden, wenn sie ihr Klagelied des Umsatzrückgangs singen. Fest steht: ein gleich guter Song von heute ist viel weniger wert wie ein gleich guter Song von damals, und die Musikkonsumenten sind entsprechend und auch verständlicherweise viel weniger bereit, den selben Betrag wie damals zu bezahlen. Beispiel: Die Industrie wehrt sich dagegen, dass Streaming-Angebote wie Spotify nur einen kleinen Bruchteil der Wertschöpfung eines Online-Tonträgers herausholen. Allerdings haben die Streaming-Anbieter recht mit ihrem Argument, dass ihre Songs ja eben nur ein einziges Mal gehört werden, und nicht unendliche viele Male wie bei einem Tonträger. Dies ist der Lauf der Zeit, und eigentlich ja auch keine schlechte Idee, sondern ganz einfach das sehr faire 1:1-Konsumprinzip: ich bezahle direkt, und nur, was ich jetzt gerade hören möchte. Wie auch bei anderen Entwicklungen hinkt die konventionelle Musikindustrie diesem Gedanken ein wenig hintendrein.

Kunst oder Kommerz?

Und wie kann man denn nun wirklich anständig Geld verdienen mit seiner Musik? Die Antwort ist einfach: Auftragsarbeiten! Wie in jedem anderen Kunstgewerbe auch sind die lukrativsten Jobs beim Musikmachen diejenigen, die auch von jemandem in Auftrag gegeben wurden. Zum Beispiel der Grossteil der klassischen Musik. Zum Beispiel Filmmusik. Zum Beispiel Werbesongs. Und Lukrativität schliesst Kreativität nicht aus. Die Definitionen von Kunst sind unterschiedlich, aber manchmal hat man das Gefühl, als habe sich heute der Gedanke festgesetzt, nur freie Kunst sei wahre Kunst. Und sogar die Steigerung davon, dass diese freie Kunst gefälligst finanziell zu unterstützen sei und sich lohnen müsse. Blödsinn. Warum sollte dir jemand Geld geben wollen für etwas, das du nur für dein eigenes Ego machst?

Der authentische Musiker

Und das Argument, dass die künstlerische Qualität und Kreativität von «Auftrags»- oder «Kommerz»-Musik schlechter ist als die des nur vom Urinstinkt geleiteten Songwriters, der als 4-jähriger von der Ghettomüllhalde seine erste Gitarre geholt und sich danach jahrelang im Überlebenskampf und geplagt von unzähligen harten Schicksalsschlägen langsam nach oben gesungen hat und schliesslich auf einem Niveau angelangt ist, dass er sich wenigstens einigermassen in der Gesellschaft bewegen kann, aber nur so knapp, dass das Publikum richtiggehend applaudiert, wenn er dann doch wieder in seine Suchtprobleme abstürzt? Man höre doch einfach mal genauer hin und kommt zum Schluss: nein, dieses Argument zählt nicht. Aber diese Frage nach der «Authentizität» eines Musikers ist nach wie vor allgegenwärtig und findet sich in vielen Stilrichtungen wieder. Offenbar ist dies für einen grossen Teil der Musikkonsumenten tatsächlich ein Indiz, dessen Musik mehr zu mögen. Daher hat – nebst oft auch dem Künstler selbst – natürlich auch die Industrie grosses Interesse daran, ihn nicht als den Normalo darzustellen, der er eigentlich ist (da er ja nun als Musiker arbeitet und Geld verdient), sondern als unabhängigen, freiheitsliebenden und -lebenden Schöngeist, leicht gewürzt mit einer gewissen Tragik.

Beispiele für die Authentizitätsklischees:

Blues: Wer nicht im Mississippi-Delta gelitten hat, kann keinen echten Blues spielen.
Rock: Wer nicht Motorrad fährt und nicht mindestens 10 Frauen und 10 Flaschen Alkohol pro Tag geniesst, ist kein echter Rockstar.
Singer-Songwriter/Soul: Am besten ist eine Mischung aus einer unglücklichen Kindheit, Drogenproblemen und mit 27 tot.
Hip-Hop: Wer nicht in da hood im Wohnwagen aufgewachsen ist, gilt einfach nicht als «real».
Reggae: Ein persönliches Drama ist nicht unbedingt nötig, aber es hilft, wenn du aus Jamaica kommst, Rastas hast und mindestens halb schwarz bist. Offenbar werten viele diesen Umstand bereits als genügend dramatisch.
Britpop: Wer einmal einen festen Job hatte und seine Miete rechtzeitig bezahlen konnte, kann kein «working class hero» werden.

Interessanterweise gibt es aber auch viele Musikstile, wo die persönliche Geschichte der Interpreten aus der Sicht des Publikums mehr oder weniger egal ist oder mindestens nicht an eine Tragödie oder an eine spezifische Herkunft geknüpft sein muss – obwohl diese Stars sehr wohl auch Selbstdarsteller sind, und sogar zum Teil sehr exzentrische. Beispiele: Pop, Funk, Ska, Punk, Metal, Progressive, Jazz. Noch interessanter: in sämtlichen Bereichen der elektronischen Musik scheint die Frage nach der Authentizität geradezu vollständig abwesend zu sein. Hier geben die Musiker teilweise sogar zu, dass sie eigentlich ein ganz normales Bünzlidasein führen und zufrieden sind mit ihrem Leben. Und, dies ist wirklich erstaunlich: dem Publikum macht das überhaupt nichts aus.

Die Authentizitätsklischees um die persönlichen Schicksale der Musiker sind natürlich nicht alle erfunden und meistens wohl tatsächlich tragische Erlebnisse. Dass aber die künsterische Kreativität, Qualität und Leidenschaft von Musikern abhängig ist von solchen Lebensgeschichten, muss eindeutig verneint werden. Denn sonst wären ja alle, denen es einigermassen gut geht, und die ein einigermassen «normales» Leben führen, gar keine «echten» Musiker. Nein, in den meisten Fällen ist es einfach Teil der Show. Wenn man genauer hinschaut, sieht man denn auch immer wieder Musikschaffende, die diese Klischees durchbrechen und vor allem durch ihre Musik, aber auch ihre Eigenständigkeit Erfolg haben. Und: die Klischees sind erst durch die Medienvielfalt so richtig in Schwung gekommen, also sobald man neben dem Tonträger auch noch andere Geschichten erzählen konnte. Beispiel: ein echter Blues muss im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Vorstellung nicht zwingend leidend, depressiv und negativ sein. Das war vielleicht mal der Ursprung des Wortes, aber zu seinen Glanzzeiten war der Blues ganz einfach die Unterhaltungsmusik der afroamerikanischen Bevölkerung. Und da hatte es sehr wohl auch sehr «positive» und auch tanzbare Songs dabei. Und die Herkunft? Inzwischen egal. Die Zeiten, wo man World Music explizit den Musikschaffenden einer bestimmten Region zuordnen konnte, sind seit MP3 und der Globalisierung defintiv vorbei.

Play it again, Sam!

Um den Bogen zu schliessen: Musik ist, wenn man sie spielt. Wenn man sie hört, spürt und lebt. Die persönlichen Geschichten der Musiker sind ebenso vielfältig wie ihre Songs und auf jeden Fall jede eine Geschichte für sich, entscheiden jedoch nicht darüber, wie «echt» ein Musiker ist.

Einen «echten» Musiker erkennt man ganz einfach daran, dass er nichts lieber tut als ein Instrument zu spielen oder zu singen. Und diejenigen darunter, die das wirklich gut können und obendrein noch kreativ sind, die machen das dann zu ihrem Job und gehen damit Geld verdienen. Indem sie etwas spielen oder kreieren, das dem zahlenden Publikum gefällt. Also im Auftrag von. Als Coverband in Bars, als Tanzduo beim Unterhaltungsabend, als Bandcombo auf Tournee in Musikclubs, als Auftragssongwriter, als Band mit Plattenvertrag, als Studiomusiker etc.

DAS ist authentisch.

YouTube

Manch aufmerksame Zeitgenosse mag denken, und dies wird schliesslich auch immer wieder von Medien vermittelt, dass mit dem bekanntesten oder anderen Videoportalen viel Geld zu machen sei. Tatsächlich gibt es etliche «YouTuber», die davon leben können, und das nicht zu knapp. Dies dank des sogenannten Partnerprogramms, bei welchem im, während oder vor dem eigenen Video Werbebanner eingeblendet werden. Das Prinzip der kombinierten Werbung war wie bei allen aufstrebenden Medien nur eine Frage der Zeit, und begann bei YouTube 2007. Für Schweizer Videoblogger und Firmen existiert das Partnerprogramm seit April 2013.

Allerdings: wer darauf setzt, davon leben zu können, oder sogar davon reich zu werden, sollte vielleicht noch einmal darüber schlafen. Denn die meisten Leute, denen das gelingt, haben nicht nur ein einzelnes Video. Sie posten teilweise JEDEN TAG ein neues. Und so ein Video, das ist aufwändig und braucht viel Zeit und Kreativität. Gleichzeitig müssen sie sich um ihre Kanäle und Netzwerke kümmern, um die Abonennten bei Laune zu halten. Für diese Blogger ist es also auch einfach nur ein guter Job. Die Handvoll, die davon «reich» wurde, hatte zwar vielleicht grade das richtige Video zur richtigen Zeit und damit auch ein wenig Glück. Wie man allerdings weiss, sind diese «klicks of fame» aber sehr kurzlebig und werden meistens innert weniger Wochen oder Tage wieder vom nächsten Hit abgelöst. Die Rechnung für die Wohnungsmiete kommt aber jeden Monat neu.

So wird man «YouTube-Millionär»

Konkret: Als YouTube-Partner erhält man etwa zwischen 0,2 und 0,5 Rappen pro Klick. Für einen «Verdienst» von beispielsweise Fr. 1’000.- muss das Video also so zwischen 200’000 und 500’000 Klicks aufweisen. So ist auch klar, wie die sogenannten «YouTube-Millionäre» zu ihrem Geld kommen: natürlich nicht durch das Video, das ist nur das Mittel zur Bekanntwerdung. Sondern durch Sponsoringverträge, Auftritte, Merchandising etc. Es ist also diesbezüglich eigentlich direkt vergleichbar mit jedem anderen Medium.

Obschon die Werbeschaltung auf Videoportalen noch zunehmen wird, ist die Tendenz, viel dabei verdienen zu können, natürlich sinkend; zwar gibt es immer mehr Publikum mit Internetzugang, gleichzeitig steigt aber auch der Streuverlust der Werbung. Und je mehr Smartphones mit integrierter Kamera, desto mehr «Konkurrenz» bei der Videoherstellung.

Als YouTube-Partner kann man sich mit seinem Video übrigens erst anmelden ab ein paar tausend Views. Pro Tag natürlich.

YouTube und das Urheberrecht

Aus Sicht des Urheberrechts ist YouTube in seiner Grundform schon mehr als problematisch. So richtig fragwürdig wirds hingegen mit der Werbefinanzierung: das Risiko, dass jemand anders mit der eigenen Kunst oder Kreativität Geld verdient, ohne dass man es überhaupt bemerkt geschweige denn zurückverfolgen kann, ist riesig. Beispiele: ein Tourist filmt einen Strassenmusiker. Wenn er gut war, werden die YouTube-Werbeeinnahmen ganz sicher die paar Münzen in seinem Hut übersteigen. Aber nicht zu seinen Gunsten. Oder jemand erstellt eine Compilation aus verschiedenen Videos aus unterschiedlichen Quellen; nur zufällig auffindbar, da auf diese Weise sowohl Beschreibung wie auch Metadaten verändert werden. Auch hier kann das Geld gar nicht die Urheber erreichen. Aber, aber, wer tut denn sowas? Nun, alle, die es können, und das ist heute ja wirklich fast jeder. Aus Bosheit oder Gewinnsucht? Nein, meistens wohl nur, weil sie der Welt etwas Lustiges zeigen wollen. Und das ist ja nun grundsätzlich wirklich keine schlechte Sache.

Übrigens, ein Tipp: Wer ernsthaft mit dem Gedanken spielt, mit einem glatten Video viele Klicks und allenfalls Einnahmen zu generieren, soll sich doch bitte nicht die Mühe machen für einen aufwändigen Musikvideoclip oder halsbrecherische Stunteinlagen. Das lohnt sich nicht. 200’000 Views, wow? Lächerlich. Filmt doch einfach eure Katze! Videos von kleinen, tollpatschigen Katzen, Hunden und anderen Haustieren fangen bei 2 Millionen Views an und haben nicht selten mehrere Dutzend Millionen. Wer kein Haustier hat, kann auch zweibeinige Katzen nehmen, dort sehen die Zahlen nämlich ähnlich aus. So geht das.

Beispielrechnung für eine Band

Die folgenden konkreten Zahlen sollen eine Vorstellung vermitteln der möglichen Verdienste einer Band im kommerziellen Musikmarkt. Und zusammen mit den Bandausgaben auch einen möglichen «Gewinn» ins richtige Verhältnis setzen.

Wie das Hobby gratis sein könnte

Mindestausgaben Band pro Jahr, als Beispiel:
• Miete Proberaum 12 x 200.–
• Nebenkosten und Getränke 12 x 50.–
Total Fr. 3’000.–
(ohne Technik, Installationen, Instrumente, Geräte etc.)

Möchte sie diese Basisausgaben decken, müsste die Band pro Jahr:

• einen Song bei einem Online-Store für Fr. 1.50 mindestens 5’000mal verkaufen.
(Da der Gewinn maximal 60 Rappen sein kann.)

oder
• den Song online über ein Plattenlabel herausgeben und 10’000mal verkaufen.
(Da der Gewinn dann nur ca. 30 Rappen pro Franken betragen würde.)

oder
• ein Album über ein Plattenlabel herausgeben und 600mal verkaufen.
(Da die Band pro Album maximal Fr. 5.– verdienen würde.)

oder
• das Album selbst verkaufen, z.B. für Fr. 15.–. Dann brauchts 200 Stück. Produktions- und Promotionskosten allerdings noch nicht einberechnet. Dann käme es wohl eher auf 280 Stück.

oder
3mal pro Jahr einen Auftritt haben mit mindestens Fr. 1’000.– Gage.

oder
• Ein YouTube-Video online schalten mit Werbepartner und mindestens 600’000 Views pro Jahr haben, tendenziell aber eher einige mehr.

Oder natürlich eine Kombination der einzelnen Elemente. Dann hätten die Musiker zwar noch überhaupt nichts daran verdient, könnten aber ihr Hobby gratis ausleben.

Wenigstens fast: Bands geben in der Regel noch die Hälfte davon zusätzlich aus für Instrumente, Geräte, Verbrauchsmaterial, Promotion, Serverkosten etc.

Wie man von der eigenen Musik leben könnte

Wenn alle Musiker der Band auch noch davon gut leben möchten (angenommen 6 x 13 x 7’000.– Monatslohn), müssten sie insgesamt mindestens Fr. 546’000.– pro Jahr einnehmen. Dies macht dann 1,8 Millionen heruntergeladene Songs (= USA Top 100), oder 110’000 verkaufte Alben (= CH 5fach Platin), oder eineinhalb Auftritte pro Tag (= einjährige Welttournee). Dann könnten sie zwar ihre bisherigen Jobs an den Nagel hängen; sie hätten dann einfach alle einen neuen Beruf. Arbeitsort: Proberaum, Bühnen. Übernachtung: Tour-Car, Hotels. Pensum: sicher deutlich mehr als 42,5 Stunden/Woche. Und es braucht natürlich noch viel mehr Verkaufseinnahmen als die oben genannten, da die Musiker ab dieser Grösse ja auch nicht mehr alleine unterwegs wären. Das ist sicher eine Zeit lang läss. Möchte man das aber dauerhaft tun, sollte man da aber besser langsam hineinwachsen. Und muss das nicht nur machen, sondern auch leben.

Wie man von der eigenen Musik reich wird

Möchte man aber nicht mehr arbeiten, sondern von der eigenen Musik reich werden und sich bis ins hohe Alter zurücklehnen können, muss man:

1. Beim Musikzirkus mitmachen
2. Einen oder besser mehrere Welthits schreiben.
3. Einen oder besser mehrere eigene Rechtsanwälte haben.
4. Mehrere oder besser dutzende lukrative Werbe- und Lizenzverträge unterschreiben.

Denn: Tantiemen und Gagen sind nett, doch ein Vielfaches von all dem zusammen wird im Musikbusiness verdient mit – wie könnte es anders sein – Werbeverträgen. Allerdings logischerweise erst, wenn man bereits Erfolg hat.

Glück spielt bei dem Ganzen eine untergeordnete Rolle: Erfolg ist nichts Zufälliges. Wer erfolgreich sein will, muss diesen Weg konsequent verfolgen. Wenn man dabei noch ein gewisses Mass an Kreativität an den Tag bringt, ist das sicher von Vorteil.

Nur ein Zahlenmodell

Diese Zahlen und Vergleiche sind natürlich theoretisch und auch nur eine Grössenordnung. Praktisch wäre es immer eine Mischung von alldem. Und ist man bei einem Label unter Vertrag, erhält man finanzielle Unterstützung und Motivation ja auch noch zusätzlich gemäss Abmachung. Aber diese einfachen Rechnungen zeigen, dass man nicht so ohne weiteres nur mit dem Vertrieb von Musik einfach reich werden kann, selbst wenn man ansehnlichen Erfolg hat.

Für die allermeisten Musiker von erfolgreichen Bands ist es auch nur: ein schöner Job.

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veröffentlicht am 26. Juli 2013

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